Fußball in Brasilien
Fußball ist Brasiliens Nationalsport. Die brasilianischen Fußballer gelten seit Jahrzehnten als technisch besonders begabt und kreativ, die Nationalmannschaft dominierte in den 1960ern den internationalen Fußball und stand von 1995 bis Januar 2007 mit einer einjährigen Unterbrechung an der Spitze der FIFA-Weltrangliste.
Mit fünf Weltmeistertiteln der Männer-Nationalmannschaft (1958, 1962, 1970, 1994 und 2002) ist Brasilien die erfolgreichste Fußballnation der Welt. Der brasilianische Fußball brachte einige der größten Stars des internationalen Fußballs wie Arthur Friedenreich, Pelé, Zico, Rivaldo, Romário, Ronaldo, Kaká und Ronaldinho hervor.
Ein starker Fokus auf regionale Wettbewerbe und wechselnde Austragungsmodi der nationalen Wettbewerbe prägen das Ligageschehen. Die großen Clubs konzentrieren sich in Rio de Janeiro und São Paulo, was zu häufigen Stadtderbys und einer intensiven Rivalität der beiden Städte führt. Erfolgreiche Vereine sind Flamengo (Rio), Corinthians und der São Paulo FC. Die Vereine können finanziell nicht mit den großen europäischen Clubs mithalten, so dass etwa 5.000 brasilianische Fußballprofis weltweit in anderen Ligen spielen. Spieler und Vereine sind in der Confederação Brasileira de Futebol (CBF) organisiert.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Verband
- 2 Die Anfänge des brasilianischen Fußballs
- 3 Profifußball
- 4 Nationalmannschaft
- 5 Beachsoccer, Straßenfußball und Futsal
- 6 Nachwuchsfußball
- 7 Frauenfußball
- 8 Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2014
- 9 Das Umfeld des Fußballs
- 10 Fußball und Soziologie
- 11 Quellen
- 12 Literatur
- 13 Weblinks
Verband
Der brasilianische Fußballverband Confederação Brasileira de Futebol (CBF) wurde am 20. August 1914 (nach anderen Angaben am 6. Juni) als Federação Brasileira de Sports gegründet. 1919 wurde er in Confederação Brasileira de Desportos umbenannt und änderte den Namen 1979 schließlich zur heutigen Bezeichnung. Präsident ist seit 1988 Ricardo Terra Teixera. Der CBF gehörte 1916 zu den Gründungsmitgliedern des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL und ist seit 1923 Mitglied des Weltverbandes FIFA. Der Verband hat seinen Sitz in Rio de Janeiro. Von 1958 bis 1975 war João Havelange Präsident des CBF, der ab 1974 auch 24 Jahre lang Präsident der FIFA war (bis 1998).
Die Anfänge des brasilianischen Fußballs
Erste Vereine und Ligen
Wie in vielen anderen Ländern führte ein Engländer den Fußball in Brasilien ein. Charles William Miller, Sohn eines eingewanderten Eisenbahningenieurs, brachte 1894 aus seiner Studienzeit in England die Erfahrung einiger Jahre als Mittelstürmer in Southampton und zwei Lederbälle mit nach São Paulo. Englische Kaufleute stellten dort und in Rio den größten Teil der Importeure, Ingenieure und Fabrikanten und hatten Sportclubs nach englischem Vorbild gegründet. Außerhalb der Cricketsaison begannen diese elitären Clubs nun mit dem Fußballspiel. 1895 fand das erste historisch belegte Fußballspiel in Brasilien statt und 1901 die erste Begegnung zwischen einem Amateurteam aus São Paulo und Mitgliedern eines Cricketclubs aus Rio de Janeiro.
Bald entstanden in den beiden großen Städten Fußball-Ligen. Zu den Gründungsmitgliedern zählten bereits die heutigen Spitzenclubs Fluminense, Botafogo in Rio und Grêmio in Porto Alegre. 1902 gewann die aus Engländern bestehende Mannschaft von São Paulo Athletic Club (1897 von Miller gegründet) die erste Meisterschaft von São Paulo. Mit dem Club Athletico gelang es 1905 zum ersten Mal einem brasilianischen Team, die Vorherrschaft der Engländer zu brechen und Meister von São Paulo zu werden. In Rio wurde die erste Meisterschaft 1906 ausgetragen.
Jahrelang blieb Fußball ein Sport der Reichen und wurde von Engländern dominiert. Aus dem Englischen entlehnte man zahlreiche Begriffe, wobei die harten Laute abgerundet und der eigenen Aussprache angepasst wurden: Aus goal wurde gol (gesprochen [gɔːł]), Team wandelte sich zu time [ˈtʃimi], der Strafstoß heißt penalty und aus Football machte man Futebol [futʃiˈbɔł].
Auch deutschstämmige Einwanderer hatten einen starken Einfluss auf den frühen Fußball in Brasilien. Bereits 1899 gründete der aus Hamburg stammenden Hans Nobiling den Sport Club Germânia (während des Zweiten Weltkriegs zwangsweise in Esporte Clube Pinheiros umbenannt). Im Jahr 1900 schlossen sich andere Deutschstämmige an der Grenze zu Uruguay im Sport Clube Rio Grande zusammen, dessen erstes offizielles Spiel am 18. Mai 1901 gegen die Mannschaft des englischen Kanonenbootes Nymphe stattfand. Die Brasilianer gewannen mit 2:1.
Fußball wird Volkssport
Zum Volkssport avancierte Fußball in den frühen 1920er Jahren. In dieser Zeit wurden die Spieler der besseren Clubs bereits Halbprofis. Auf massiven Druck der Presse wurden ab 1918 die Vereine verpflichtet, afrobrasilianische Spieler aufzunehmen.
Zu einem Symbol des brasilianischen Fußballs um 1920 wurde der Deutschbrasilianer Arthur Friedenreich (1892–1969) aus São Paulo, dessen Mutter Afrobrasilianerin war. Seine Karriere begann Friedenreich im Sportclub Germania, wo er von dem damals bekanntesten Sportler Brasiliens, dem Fußballspieler, -trainer und Leichtathleten Hermann Friese, gefördert wurde.
Der Mulatte Friedenreich durfte nur aufgrund seines weißen deutschen Vaters in der ersten brasilianischen Nationalmannschaft spielen, in die er 1914 berufen und mit der er 1919 und 1922 südamerikanischer Meister wurde. Friedenreich und andere mussten ihr Kraushaar glätten, um wie Weiße auszusehen, einige mussten sich sogar mit Reismehl beschmieren. Trotzdem wurde Friedenreich zum ersten großen Fußballstar des Landes. 1921 befahl Präsident Epitacio da Silva Pessoa aus Sorge vor einem Ansehensverlust Brasiliens, dass keine Dunkelhäutigen bei der Copa América spielen durften. Als daraufhin der Erfolg des Titelverteidigers ausblieb und die Öffentlichkeit gegen das rassistische Vorgehen protestierte, nahm er die Verordnung jedoch zurück. Brasilien gewann wieder. Insgesamt hat Arthur Friedenreich 26 Jahre lang aktiv Fußball gespielt. In Brasilien nannten ihn die Fans Pé de Ouro (Goldfuß), in Uruguay El Tigre (der Tiger) und in Paris Roi du Football (König des Fußballs).
Der erste professionelle Verein Brasiliens war Vasco da Gama aus Rio, der auch gegen erbitterte Widerstände anderer Vereine besonders auf farbige Spieler setzte und 1923 mit drei Schwarzen, einem Mulatten und sieben Weißen die Meisterschaft von Rio gewann. Die Dominanz Vascos hielt bis 1950 an.
Profifußball
Im Jahr 1933 wurde mit der Liga Carioca de Futebol der Profifußball offiziell eingeführt. Trotzdem gelang es dem brasilianischen Fußballverband angesichts der Größe des Landes lange nicht, eine nationale Meisterschaft auszurichten. Deshalb ist der brasilianische Ligafußball noch heute durch eine verwirrende Vielzahl an Meisterschaften und Pokalwettbewerben, zahlreiche Modusänderungen und häufige Umbenennungen der Wettbewerbe gekennzeichnet. Erst ab 1970 ließen die infrastrukturellen Voraussetzungen eine landesweite Meisterschaft zu.
Neben der nationalen Fußball-Liga Série A und dem brasilianischen Pokal (Copa do Brasil) gibt es noch zahlreiche weitere Wettbewerbe der Regionen und Städte, an denen auch die Mannschaften der nationalen Liga teilnehmen. Da die besten Mannschaften zusätzlich in den südamerikanischen Kontinentalwettkämpfen aktiv sind, entsteht für die Vereine ein hoher Termindruck und die Teams sind das ganze Jahr hindurch ohne Pause im Einsatz. Heute geht deshalb die Tendenz in Richtung einer Vereinfachung des Spielbetriebes, die regionalen Pokalwettbewerbe wurden bereits abgeschafft. Die Saison folgt traditionell dem Kalenderjahr, nach heftigen Debatten, die sogar im Parlament geführt wurden, soll der Spielplan aber bis 2007 an die europäischen Ligen angepasst werden.
Die Zuschauerzahlen können stark variieren, insbesondere bei den Regionalmeisterschaften an denen sowohl die Spitzenclubs des Campeonatos Brasileiro, als auch Mannschaften der Série B und C teilnehmen. Hier können die großen Derbys 70.000 Fans anziehen, während am gleichen Spieltag bedeutungslosere Spiele mittlerer und kleiner Vereine vor wenigen hundert Zuschauern stattfinden. Sogar Spiele mit 50 Zuschauern kommen vor. Die Eintrittspreise sind für brasilianische Verhältnisse relativ hoch und liegen in der Regel bei 30-40 Real (etwa 11-15 Euro).
Vereine
Die meisten Spitzenclubs kommen aus São Paulo (diese konnten zusammen bisher 14 Titel erringen) oder Rio de Janeiro (10 Titel). Aus São Paulo konnten bisher folgende Teams Landesmeister werden: FC São Paulo (5), Corinthians (4), Palmeiras (4), FC Santos (2) und Guarani (1). Weitere Vereine aus dem Bundesstaat São Paulo sind São Caetano, Juventude, Ponte Preta und Portuguesa.
Brasilianische Meister aus Rio sind: Flamengo (4), Vasco da Gama (4), Botafogo (1), Fluminense (1). Andere populäre Mannschaften sind Américano, América, Bangu, Friburguense, Madureira, Olaria AC und Volta Redonda.
In den letzten Jahren ist festzustellen, dass die Vereine aus Rio den Anschluss an jene aus São Paulo zu verlieren drohen. Dagegen holt der relativ wohlhabende Süden Brasiliens auf. Trotzdem konnten sich gegen die Dominanz der Vereine aus dem Raum São Paulo/Rio bisher nur wenige Mannschaften aus anderen Bundesstaaten behaupten und brasilianischer Landesmeister werden: Cruzeiro EC (Minas Gerais; 2003), Atlético Paranaense (2001) und Coritiba (1985) aus (Curitiba in Paraná; Grêmio (Porto Alegre; 1981, 1996), Bahia (Salvador da Bahia; 1988), Internacional (Porto Alegre; 1975, 1976, 1979), Atlético Mineiro (Belo Horizonte; 1971). Die Meisterschaft von Sport Recife aus Pernambuco 1987 ist vornehmlich den besonderen Umständen jener Saison zu verdanken.
Spieler
Stars
Seit 1991 verleiht die FIFA offiziell die Auszeichnung des Weltfußballers des Jahres. Bisher wurden fünf brasilianische Spieler mit diesem höchsten Titel für einen Einzelspieler geehrt: Romário (1994), Ronaldo (1996, 1997, 2002), Rivaldo (1999) , Ronaldinho (2004 und 2005) und Kaká (2007). In der Zeit von 1982 bis 1990, als der Titel des Weltfußballers des Jahres eine lediglich inoffizielle Auszeichnung war, wurde Zico 1983 gewählt.
Nur relativ wenige brasilianische Spieler wurden seit 1971 als Südamerikas Fußballer des Jahres ausgezeichnet, da nur bei südamerikanischen Vereinen spielende Fußballer zur Wahl stehen. Diese Trophäe erhielten Tostão (1971), Pelé (1973), Zico (1977, 1981, 1982), Sócrates (1983), Bebeto (1989), Raí (1992), Cafu (1994) und Romário (2000).
Eine Wahl zum Fußballer des Jahres gibt es in Brasilien nicht, wohl aber den Titel des besten Spielers des Campeonato Brasileiro. Dieser wird nach den Bewertungen des Magazins Placar ermittelt, die nach jedem Spiel der Saison vergeben werden. Der Spieler mit der höchsten Wertung erhält am Ende der Saison den Bola de Ouro (Goldener Ball).
Soziale Herkunft
Wegen der geringen Bildungs- und Aufstiegschancen der Favelabewohner bleibt der Fußball eine der wenigen Möglichkeiten, aus der Armut zu entkommen und unter Umständen sogar zum gefeierten und reichen Superstar zu werden. Die meisten Spieler, die den Durchbruch in ein Profiteam schaffen, stammen aus der verarmten Unterschicht. Stammspieler der brasilianischen Nationalmannschaft, die aus der Mittelschicht kommen, sind dagegen selten: In den 1980er gehörte Sócrates dazu, dessen Bruder Raí in den 1990er Jahren und heute Kaká und Lúcio.
Als Folge des sozialen Gefälles in der brasilianischen Gesellschaft wurden in den letzten Jahren vermehrt Fußballer und ihre Familienmitglieder entführt. Berühmte Beispiele sind Robinhos Mutter Marina de Souza und der Vater Romários.
Profis in Brasilien
Wie in der brasilianischen Gesellschaft ist auch im Profifußball das Lohngefälle sehr hoch. Der Verdienst eines Profispielers liegt in der Regel unter 5.000 Euro im Monat, oft auf Prämienbasis. Zählt man diejenigen Spieler mit, die teilweise noch unter 90 US-Dollar verdienen, so wird die Zahl der brasilianischen Berufsfußballer auf 23.000 in etwa 500 Proficlubs geschätzt. Etwa 5000 Brasilianer spielen darüber hinaus als Profis im Ausland, mit steigender Tendenz. Nach Angaben des brasilianischen Fußballbundes CBF sind alleine im Jahr 2005 über 870 Spieler ins Ausland gewechselt. Viele Clubs verkaufen regelmäßig einen Großteil ihrer Spieler ins Ausland und können so keine stabile Mannschaft halten. Die Folge ist, dass Teams wie der FC Santos, 2004 brasilianischer Meister, nach einer erfolgreichen Saison eine ganz neue Mannschaft aufbauen müssen. Zwar ist die brasilianische Liga nicht besonders zahlungsschwach (Ablösesummen von 8 oder 10 Millionen US-Dollar sind durchaus normal), doch bei Topstars können die brasilianischen Vereine nicht mit den großen europäischen Clubs mithalten. So standen im Kader der Nationalmannschaft für die WM 2006 nur drei Spieler aus Mannschaften der brasilianischen Liga.
Vereinzelt spielen auch ausländische Profifußballer in Brasilien, wie die argentinischen Nationalspieler Carlos Tévez und Javier Mascherano bei Corinthians oder Carlos Gamarra (Palmeiras) und Julio Manzur (FC Santos) aus Paraguay. Tévez wechselte 2004 für eine Ablösesumme von 20 Millionen US-Dollar nach Brasilien, was den teuersten Transfer innerhalb des südamerikanischen Fußballs bedeutete.
Brasilianische Profis im Ausland
Nach Europa, Arabien oder Asien wechseln auch Spieler, die sich in einem technisch anspruchsloseren Umfeld besser durchzusetzen hoffen, als im brasilianischen Fußball. So spielen zahlreiche brasilianische Profis in der deutschen Regionalliga, in osteuropäischen Ligen, in der japanischen J. League, China, Katar oder Saudi-Arabien. Selbst in so finanzschwachen Ligen wie auf den Färöern, in Armenien, Haiti, Libanon, Vietnam, Senegal und Jamaika suchen brasilianische Fußballer Engagements. Besonders viele Brasilianer spielen im ehemaligen Mutterland Portugal, wo die Sprachbarriere entfällt, die in anderen Ländern nicht selten auch die sportliche Entwicklung der Spieler hemmt. In der Saison 2006/07 spielen allein in der SuperLiga 130 brasilianische und weitere eingebürgerte Spieler.
Die ersten brasilianischen Spieler in der deutschen Bundesliga waren wenig erfolgreich und blieben nicht lange: Zezé beim 1. FC Köln (1964), Tagliari beim MSV Duisburg (1964-1966) und Buca beim HSV (1979/80). Der erste Spieler, der sich in Deutschland durchsetzte, war Tita, der 1987 von Bayer Leverkusen verpflichtet wurde. Vor allem Leverkusen gelangen auch danach viele und besonders erfolgreiche Transfers brasilianischer Spieler, u.a. Jorginho, Paulo Sérgio, Paulo Rink, Emerson, Zé Roberto und Lúcio. Insgesamt haben mehr als 60 Brasilianer in der Bundesliga gespielt. In der Saison 2006/07 sind 25 Spieler in der ersten Liga aktiv und elf in der 2. Bundesliga (Stand: 20. März 2007).
Eine erfolgreiche Karriere in der Nationalmannschaft schlugen die Bundesligaspieler Dunga und Júlio César ein. Andere Spieler, die in Europa Stars geworden sind, können mitunter im eigenen Land relativ unbekannt bleiben wie Giovane Elber, Aílton, Marcelinho oder Mário Jardel. In den Kader der Nationalmannschaft für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurden die Bundesligaspieler Lúcio, Zé Roberto (beide Bayern München), Juan (Bayer Leverkusen) und Gilberto (Hertha BSC Berlin) berufen.
Manche brasilianischen Fußballer werden nach einer Einbürgerung Nationalspieler in anderen Ländern. Bei der WM 2006 spielten mit Deco (Portugal), Francileudo Silva dos Santos (Tunesien), Marcos Senna (Spanien), Zinha (Mexiko) und Alex (Japan) mehrere gebürtige Brasilianer in verschiedenen Nationalmannschaften. In der deutschen Nationalmannschaft spielte in den 1990er Jahren der eingebürgerte Deutschbrasilianer Paulo Rink, und auch Kevin Kurányi wurde in Brasilien geboren.
Verwendung von Spitz- und Kosenamen
Im Gegensatz zu Fußballern aus anderen Ländern werden die brasilianischen Spieler entweder mit Vornamen oder meistens mit Spitznamen genannt. So sind den meisten die richtigen Namen großer Spieler wie Pelé, der eigentlich Edson Arantes do Nascimento heißt, unbekannt. Die brasilianische Vorliebe zur Verwendung von Spitznamen ist nicht nur bei Fußballern, sondern auch in anderen Sportarten sowie bei Politikern, Popsängern oder Schauspielern verbreitet. Nicht selten werden ihre Namen sogar standesamtlich geändert.
Über die Ursprünge dieser brasilianischen Tradition gibt es verschiedene Theorien. So nimmt man an, dass die Anwendung von Vor- und Spitznamen ein Relikt aus der erst im Jahr 1888 abgeschafften Sklavenzeit sei, als der Kosename dazu diente, den Sklaven als solchen zu kennzeichnen. Andere Theorien gehen davon aus, dass die Gewohnheit auf zum Christentum zwangsbekehrte Juden und Mauren zurückzuführen ist, die ab dem 16. Jahrhundert aus Portugal auswanderten und in Brasilien ankamen. Um nicht als konvertierte Christen erkannt zu werden, was mit der Erwähnung des Nachnamens der Fall gewesen wäre, verwendeten sie lediglich ihren Vornamen[1].
Die Verwendung von Spitznamen ist auch in anderen portugiesischsprachigen Ländern wie in Portugal (z.B. Petit) und vor allem in Angola (z.B. Figueiredo) üblich.
Ligafußball
Campeonato Brasileiro
Die brasilianische Meisterschaft, der Campeonato Brasileiro, wird seit 1971 in der Série A ausgespielt. Der Spielmodus und Name wurden oft geändert (lange Zeit hieß der Bewerb Copa João Havelange). Von 1967 bis 1970 gab es einen Vorgänger zur Série A („Taça de Prata“), in dem die Landesmeister auf nationaler Ebene ermittelt wurden. Diese werden bis heute aber nicht in den Statistiken des CBF als nationale Meister geführt. 17 Vereine konnten sich bislang in die Siegerliste eintragen. Seit 2006 spielen 20 Teams um den Titel, nachdem die Liga um zwei Mannschaften reduziert wurde. Unterhalb der ersten Liga gibt es die Série B und C. Bis 2003 wurde der Titel am Ende des Jahres durch ein Play-Off ermittelt, seitdem ist diejenige Mannschaft Meister, die nach der Rückrunde die meisten Punkte aufweist, wie es in den meisten Fußball-Ligen üblich ist.
Alle Meister seit 1967
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Inoffizielle Meister 1967-1970
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Regionalmeisterschaften
Unabhängig vom Campeonato Brasileiro werden in allen 27 Bundesstaaten im ersten Halbjahr Regionalmeisterschaften ausgetragen (Campeonatos estaduais). Wegen der Größe des Landes gab es vor 1970 keine landesweite Meisterschaft und so sind diese Meisterschaften die traditionsreichsten Wettbewerbe Brasiliens. Die Campeonatos von São Paulo (Campeonato Paulista, seit 1902) und Rio (Campeonato Carioca, seit 1906) sind nicht nur die ältesten, sondern aufgrund der Konzentration von Spitzenmannschaften auch bei weitem die bedeutendsten. Hier kommt es zu den großen Stadtderbys, etwa das als Fla-Flu bezeichnete Duell zwischen Flamengo und Fluminense oder Corinthians gegen den FC São Paulo. Aber auch beim Campeonato Gaúcho (Grêmio gegen Internacional in Porto Alegre), dem Campeonato Mineiro (América gegen Atlético Mineiro in Belo Horizonte) oder dem Campeonato Baiano in Salvador da Bahia (Clássico Bavi: Bahia gegen Vitória) gibt es vergleichbare Duelle.
Bis in die 1990er Jahre genossen die Regionalmeisterschaften fast ebenso viel Anerkennung wie die brasilianische Meisterschaft. Heute verlieren die Campeonatos estaduais aber trotz ihrer Tradition von Jahr zu Jahr an Bedeutung und Spielzeit; es ist denkbar, dass sie ganz abgeschafft werden.
Copa do Brasil
Neben der Meisterschaft gibt es seit 1989 einen nationalen Pokalwettbewerb, die Copa do Brasil. Am Pokalwettbewerb, der jeweils in der ersten Jahreshälfte stattfindet, nehmen 64 Mannschaften teil, die im K.-o.-System mit Hin- und Rückspielen den Sieger ermitteln und sich teilweise über die Campeonatos estaduais, die Meisterschaften der brasilianischen Bundesstaaten qualifizieren. Die regionalen Pokalwettbewerbe Torneios regionais wurden 2003 aufgegeben. Besondere Tradition hatte vor allem das Torneio Rio-São Paulo und die Copa Sul-Minas, an der Fußballclubs der drei südlichen Bundesstaaten und aus Minas Gerais teilnahmen, sowie die Copa do Nordeste (Nordosten).
Pokalsieger seit 1989
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Südamerikanische Vereinswettbewerbe
Die südamerikanischen Vereinswettbewerbe werden klar von den brasilianischen und argentinischen Mannschaften dominiert. Im Gegensatz zum europäischen Fußball ist es Mannschaften in den südamerikanischen Wettbewerben möglich, an beiden wichtigen Wettbewerben des Verbandes teilzunehmen. Aus der Série A sind die zwei besten Teams direkt für die Copa Libertadores startberechtigt, der dritte und vierte kann sich in Ausscheidungsspielen qualifizieren. Der fünfte und sechste der Liga nimmt zusammen mit dem Meister an der Copa Sudamericana teil. Der fünfte (und eine zusätzliche Mannschaft, wenn Brasilien den Titelverteidiger stellt) kann über eine Qualifikationsrunde teilnehmen.
Copa Libertadores
Die acht Gruppen der Copa Libertadores mit je vier Mannschaften werden jeweils von einem brasilianischen oder argentinischen Club angeführt. Bislang konnten folgende Mannschaften aus Brasilien den Titel gewinnen: Santos FC (1962, 1963), Cruzeiro EC (1976, 1997), CR Flamengo (1981), Grêmio FB Porto Alegrense (1983, 1995), São Paulo FC (1992, 1993, 2005), CR Vasco da Gama (1998), SE Palmeiras (1999), Internacional (2006).
Der Titelträger spielte bis 2004 gegen den Sieger der europäischen Champions League um den Weltpokal. Danach wurde der Weltpokal durch die Klub-Weltmeisterschaft ersetzt. Die brasilianischen Sieger der Copa Libertadores konnten den europäischen Gegner recht häufig besiegen und gewannen mehrere Weltpokale: São Paulo FC (1992 mit 2:1 gegen FC Barcelona und 1993 mit einem 3:2 gegen AC Mailand), Grêmio Porto Alegre (1983 durch ein 2:1 n.V. gegen den Hamburger SV), Flamengo Rio de Janeiro (1981 mit 3:0 gegen FC Liverpool), FC Santos (1963 in drei Spielen gegen AC Mailand, 4:2, 2:4, 1:0 und 1962 mit 3:2 und 5:2 gegen Benfica Lissabon). Die drei ersten Klub-Weltmeisterschaften wurden von brasilianischen Mannschaften gewonnen: Corinthians (2000, im Finale gegen Vasco da Gama), São Paulo FC (2005 gegen FC Liverpool) und Internacional (2006 gegen FC Barcelona).
Copa Sudamericana und ihre Vorläufer
Die Copa Sudamericana wurde 2002 als Nachfolger des Copa Mercosul (1998 bis 2001) und der Copa Merconorte eingeführt. Seit 2003 spielen auch brasilianische Mannschaften in der Copa Sudamericana, die dem UEFA-Cup im europäischen Fußball vergleichbar ist. Bisher gelang es keiner brasilianischen Mannschaft, das Finale zu erreichen. Bei der Copa Mercosur dominierten die Teams aus Brasilien dagegen und stellten mit Palmeiras (1998), Flamengo (1999) und Vasco da Gama (2000) drei der vier Sieger. Die Zweitplatzierten kamen sogar immer aus Brasilien: Cruzeiro (1998), Palmeiras (1999 und 2000) und Flamengo (2001).
1988-1997 war die Supercopa Sudamericana ausgetragen worden. Cruzeiro konnte diesen Titel 1991 und 1992 gewinnen und unterlag 1988 und 1996 im Finale. Der FC São Paulo gewann 1993 und wurde 1997 Zweiter. Flamengo stand 1993 und 1995 im Endspiel, verlor aber jeweils.
Nationalmannschaft
Weltmeisterschaften
Die Seleção (Auswahl) konnte sich als einzige Nationalmannschaft für alle Weltmeisterschaften seit 1930 qualifizieren und ist mit ihren Titeln 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002 vor Italien (vier Titel) und Deutschland (drei Titel) die erfolgreichste Mannschaft der Welt.
Frühe Jahre und nationales Drama: 1930-1954
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1930 in Uruguay schied Brasilien in der Vorrunde aus und kam auch bei der WM 1934 in Italien nicht über das Achtelfinale hinaus. Der erste große Erfolg gelang 1938 in Frankreich, als die Seleção den dritten Platz erreichte. Mit Leônidas da Silva, der 1938 Torschützenkönig wurde und insgesamt neun WM-Tore erzielte, gelangte der erste brasilianische Fußballer zu Weltruhm. Der Topstar Arthur Friedenreich bestritt dagegen kein einziges WM-Spiel, da 1930 aufgrund von Streitigkeiten zwischen den konkurrierenden Verbänden aus Rio de Janeiro und São Paulo nur Spieler aus Rio an der WM in Uruguay teilnahmen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete Brasilien die ersten Titelkämpfe 1950 aus und ging im eigenen Land als Favorit in das Turnier. Die Mannschaft spielte souverän bis zum letzten Spiel der Endrunde gegen Uruguay. Ein Unentschieden hätte gereicht, um erstmals Weltmeister zu werden. Aber vor der Rekordkulisse von 200.000 Zuschauern im Maracanã-Stadion unterlag die siegesgewisse Mannschaft dem kleinen Nachbarland trotz einer 1:0-Führung mit 1:2. Die Niederlage in diesem als Maracanaço bekannten Spiel löste ein nationales Trauma aus, das trotz späterer Erfolge bis heute nachwirkt. Die weißen Trikots, in denen Brasilien damals spielte, kamen nie wieder zum Einsatz. Stattdessen führte die Mannschaft den gelb-blauen Dress ein, der ihr den Spitznamen Os Canarinhos (die Kanarienvögelchen) eingebracht hat.
Bei der WM 1954 erreichte Brasilien das Viertelfinale, unterlag dort aber in einem packenden Spiel der damals den Weltfußball dominierenden ungarischen Nationalmannschaft mit 2:4.
Drei Titel in vier Turnieren: 1958-1970
Bei der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden gewann Brasilien erstmals den Titel. Vavá, Garrincha, Didi und der erst 17-jährige Pelé waren die Stars der Mannschaft. Das Halbfinale gegen Frankreich wurde zu einem der spektakulärsten Spiele dieser WM. Raymond Kopa und der dreizehnfache WM-Torschütze Just Fontaine auf Seiten der Franzosen standen den Brasilianern kaum nach. Die Seleção gewann mit 5:2, zog ins Finale ein und ließ dort beim 5:2 den Schweden keine Chance.
Das Team konnte den Titelgewinn bei der WM 1962 in Chile mit einem 3:1-Finalsieg gegen die Tschechoslowakei wiederholen. Ein Höhepunkt war der Viertelfinalsieg gegen England (3:1). Vavá, Garrincha und Didi waren erneut herausragende Spieler des Turniers, Pelé verletzte sich in der Vorrunde und konnte danach nicht mehr eingesetzt werden.
Überaus enttäuschend verlief die WM 1966 in England: Die überalterte Mannschaft des Titelverteidigers schied bereits in der Vorrunde hinter Portugal und Ungarn aus. Pelé hatte sich erneut frühzeitig verletzt.
Mit einer stark verjüngten Mannschaft um Pelé gelang bei der WM 1970 in Mexiko zum drittenmal der Gewinn des Weltmeistertitels. Nach einem starken Turnier, während dessen Weltmeister England in der Vorrunde wieder geschlagen werden konnte, gewann Brasilien das Finale gegen Italien ungefährdet mit 4:1. Neben Pelé etablierten sich Jairzinho und Roberto Rivelino als große Stars. Nach diesem dritten WM-Titel ging der Coupe Jules Rimet auf Dauer in brasilianischen Besitz über. Er wurde aber 1983 gestohlen und wahrscheinlich eingeschmolzen. Für Brasilien begann nun eine 24jährige Wartezeit, ehe man endlich wieder den Gewinn einer Weltmeisterschaft feiern konnte.
Durststrecke: 1974-1990
Bei der WM 1974 in Deutschland blieb die Seleção schon in der Vorrunde hinter Jugoslawien zurück und scheiterte in der Zwischenrunde an den überragenden Niederländern um Johan Cruijff. Im Spiel um Platz drei unterlag man Polen mit 0:1.
Auch bei der WM 1978 im Nachbarland Argentinien verlief die Vorrunde enttäuschend. Brasilien zog nur als Gruppenzweiter hinter Österreich in die Zwischenrunde ein. Dort verpasste die Mannschaft allerdings nur auf Grund der schlechteren Tordifferenz gegenüber dem Gastgeber den Finaleinzug. Diesmal gewann sie das Spiel um Platz drei mit 2:1 gegen Italien.
Mit der WM 1982 begann die Ära einer hervorragenden Mannschaft um die Stars Zico, Sócrates und Falcão, die allerdings als die genial-erfolglose Generation ohne Titel in Erinnerung geblieben ist. Nach großartigem Fußball scheiterte das Team in der Zwischenrunde am effektiv spielenden späteren Weltmeister Italien und schied aus. Mit Paolo Rossi spielte in der italienischen Mannschaft der Torjäger, der dem verspielten brasilianischen Team fehlte.
Ähnlich verlief die WM 1986 in Mexiko. Nach erneut sehr guten Leistungen schied die Mannschaft in einem Fußball-Klassiker gegen Europameister Frankreich um Michel Platini im Viertelfinale nach Elfmeterschießen aus.
Beim Turnier 1990 in Italien kam, trotz einer guten Leistung, sogar schon im Achtelfinale das Aus, ausgerechnet gegen den Erzrivalen Argentinien.
Rückkehr zum Erfolg: 1994-2002
Nach fast einem Vierteljahrhundert war es dann bei der WM 1994 in den USA soweit, die Seleção gewann zum vierten mal den Titel. Nach der langen Zeit erschien der Titelgewinn wie eine Erlösung. Mit pragmatischem Ergebnisfußball und den Stürmerstars Romário und Bebeto erreichte Brasilien das Finale und hatte dort gegen Italien die Nervenstärke, nach einem 0:0 das Elfmeterschießen für sich zu entscheiden.
Eine Wiederholung dieses Erfolges wurde bei der WM 1998 in Frankreich erwartet. Das Team zog auch planmäßig ins Finale ein nachdem in einem brillanten Halbfinale die Niederländer im Elfmeterschießen ausgeschaltet wurden. Als neuer Star der Mannschaft spielte der 21jährige Ronaldo, der im Verlauf des Turniers vier Tore erzielte. Ausgerechnet im Finale blieb er jedoch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, die Gastgeber um Zinédine Zidane konnten klar mit 3:0 gewinnen.
Bei der WM 2002 zog Brasilien, teilweise glücklich, zum dritten Mal in Folge ins Finale ein. Hier kam es zur ersten Weltmeisterschaftsbegegnung mit dem dreifachen Weltmeister Deutschland, der gegen den hohen Favoriten lange Zeit gut mithalten konnte. Zwei Tore von Ronaldo sorgten am Ende aber für den fünften Titelgewinn der Brasilianer. Mit acht Toren wurde der Star der brasilianischen Mannschaft bei diesem Turnier Torschützenkönig.
Weltmeisterschaft 2006
Nachdem bereits in den Vorrundenspielen die Spielweise Brasiliens bemängelt wurde, unterlag man im Viertelfinale Frankreich mit 0:1. Wiederum war es der französische Spielmacher Zinédine Zidane, der die Franzosen zum verdienten Sieg führte. Brasilien war in das Turnier als Topfavorit gestartet, konnte den Erwartungen aber zu keiner Zeit gerecht werden. Die enttäuschten brasilianischen Anhänger sehen den Grund für das Scheitern hauptsächlich in der mangelnden Homogenität der Seleção, der Formschwäche einzelner Spieler sowie in der Strategie des Trainers Carlos Alberto Parreira, der bis zuletzt davor zurückschreckte, die in die Jahre gekommenen Altstars trotz schlechter Leistungen aus der Stammelf zu verbannen.
Copa América
Die südamerikanische Meisterschaft Copa América wird offiziell bereits seit 1916 ausgetragen (in der Regel alle zwei Jahre) und ist damit der älteste Wettbewerb für Nationalmannschaften. Sie ist mit der Europameisterschaft vergleichbar, hat aber einen geringeren Stellenwert, da oft viele der in Europa aktiven Spieler nicht teilnehmen. Von diesem Manko ist besonders die brasilianische Nationalelf betroffen. Nach inzwischen 42 Turnieren liegt Brasilien mit sieben Titeln (1919, 1922, 1949, 1989, 1997, 1999 und 2004) deutlich hinter Argentinien und Uruguay (jeweils 14 Titel). Elfmal wurde Brasilien zweiter (1921, 1925, 1937, 1945, 1946, 1953, 1957, 1959, 1983, 1991) und siebenmal dritter.
1919 richtete Brasilien erstmals die Copa aus und gewann dabei seinen ersten Titel. Der Stellenwert, den Fußball mit diesem Turnier bekam, ist daran abzulesen, dass Präsident Epitácio Pessoa nach dem Sieg einen nationalen Feiertag ausrief. Später fand die Copa América 1922, 1949 und 1989 in Brasilien statt. Damit führten Argentinien, Uruguay, Chile und Peru mehr Endrunden durch, als Brasilien.
Olympische Spiele
Lange waren Nationalmannschaften aus Ländern mit Profiligen bei Olympischen Spielen faktisch von den Medaillenrängen ausgeschlossen, da durch den verpflichtenden Amateurstatus der Spieler die Staatsamateure der Ostblockmannschaften die Wettkämpfe domininierten. Seit 1984 dürfen Profis, die nicht älter als 23 Jahre sind, an dem Turnier teilnehmen. Diese Regelung kommt Brasilien mit seinem großen Potential talentierter Nachwuchsspieler sehr zugute. Trotzdem war der Verband bisher weniger erfolgreich und konnte lediglich eine Silber- (1984) und zwei Bronzemedaillen (1988 und 1996) erringen.
Beachsoccer, Straßenfußball und Futsal
Der Reichtum Brasiliens an kreativen, technisch versierten Fußballern wird häufig auf den Straßenfußball zurückgeführt, der überall präsent ist. Besonders in den Favelas, wo der Kauf von Fußballschuhen, ja selbst eines Balles oft an den finanziellen Mitteln scheitert und häufig barfuß mit zusammengeschnürten Lumpen oder Getränkedosen gekickt wird, ist eine gute Technik unerlässlich.
Wo möglich, wird statt auf dem harten Boden der Straßen am Strand gespielt. So ist Brasilien die Heimat des Beachsoccer und Footvolley geworden, lange bevor sich diese Begriffe etablierten. Viele der heutigen Stars wie z.B. Ronaldo, Ronaldinho oder Robinho spielten in ihrer Jugend Futsal (Futebol de Salão), eine Fußball-Variante mit kleineren Spielfeldern (meist Basketballplätze) und kleineren Bällen. Die höhere Geschwindigkeit bei Futsal und die engen Räume fördern die technische Weiterentwicklung der Spieler.
Brasilien gewann die ersten drei Futsal-Weltmeisterschaften 1989, 1992 und 1996, wurde anschließend aber von Spanien als dominierende Mannschaft abgelöst.
Nachwuchsfußball
Ein von Klischees genährter Mythos ist es, dass die großen brasilianischen Fußballer direkt vom Strand- und Straßenfußball den Durchbruch in den bezahlten Fußball geschafft hätten. Schon lange werden junge Talente gezielt durch die Vereine und die zahlreichen Fußballschulen, die häufig den Clubs angeschlossen sind, gefördert. Solche Fußballschulen werden auch von ehemaligen Fußballprofis geführt, in Rio etwa jene von Zico oder Jorginho. Neben dem Training, das in den großen Vereinen schon im Jugendbereich professionell strukturiert ist, ist der Fußball am Strand aber trotzdem eine hervorragende Technikschulung und für die Fußballschulen werden tatsächlich junge Fußballer auch beim Beach-Soccer gesichtet. Das bekannteste Beispiel dafür ist Ronaldo, der an der Copacabana entdeckt wurde. In die Nachwuchsmannschaften der Proficlubs werden die jungen Spieler in so genannten peneiras ausgesiebt.
Seit Pelé in den 1990er Jahren als Sportminister ein Gesetz gegen die so genannte Sklaverei im Profifußball durchsetzen konnte (Lei Pelé), sind Fußballer bis 16 Jahren frei, den Verein zu wechseln. Danach müssen die Profivereine den Spielern, die jetzt genauso oft trainieren, wie die Profis, Verträge geben, ein Gehalt zahlen und für Sozialabgaben und Krankenversicherung sorgen.
Bei der Junioren-Fußballweltmeisterschaft für U-20-Junioren wurde Brasilien viermal Weltmeister (1983, 1985, 1993, 2003) und zweimal Vizeweltmeister (1991 und 1995). Die U-17-Junioren sind mit drei Weltmeistertiteln, zwei zweiten und einem dritten Platz das erfolgreichste Land der Welt.
Bei der Juventud de America, dem südamerikanischen Wettbewerb für U-19 Teams, ist Brasilien mit bisher acht Titeln und sieben zweiten Plätzen das erfolgreichste Land.
Frauenfußball
Die Erfolge der Nationalmannschaft schlagen sich langsam im öffentlichen Interesse nieder, so dass 2003 zum ersten Mal die Spiele der Weltmeisterschaft im Fernsehen übertragen wurden. Trotzdem steht der Frauenfußball in Brasilien noch mehr im Schatten des Männerfußballs, als in anderen Ländern. Nachdem der brasilianische Frauenfußball zunächst hinter der internationalen Entwicklung zurücklag, entwickelte er sich seit den späten 1990er Jahren sehr schnell und schaffte den Anschluss an die Weltspitze. Inzwischen ist die Frauen-Nationalmannschaft eine internationale Größe geworden.
Die größten Erfolge waren bisher der Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2004, die Vizeweltmeisterschaft 2007 und ein dritter Platz bei der WM 1999. In der FIFA-Weltrangliste steht Brasilien auf Rang vier (Stand: März 2006).
In Südamerika ist Brasilien das mit Abstand erfolgreichste Team, es gewann vier der fünf bisher ausgetragenen Südamerika-Meisterschaften, nur 2006 wurde es im entscheidenden Spiel der Endrunde von Argentinien besiegt. Im Nachwuchsbereich war die brasilianische Auswahl 2002 und 2004 jeweils vierter bei der U-19 WM. 2006 belegten die Brasilianerinnen den dritten Platz.
Wie bei den Männern ist auch der brasilianische Frauenfußball von Angriffsfußball auf sehr hohem technischen Niveau geprägt. Das größte Probleme der Nationalmannschaft ist die relativ geringe Wettkampferfahrung, da es in Brasilien keine Profiliga oder überhaupt eine landesweite Meisterschaft gibt, sondern nur regionale Meisterschaften, und die Länderspielgegner in Südamerika kaum eine Konkurrenz darstellen.
Die besten Brasilianerinnen spielten in der amerikanischen WUSA-Liga, bis diese 2003 ihren Spielbetrieb einstellte. Seitdem sind viele Spielerinnen nach Europa gewechselt, z.B. Marta, die in Schweden spielende Weltfußballerin des Jahres 2006, und Cristiane, die seit 2005 beim 1. FFC Turbine Potsdam unter Vertrag stand und zur Saison 2006/2007 zum VfL Wolfsburg wechselte.
Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2014
2014 wird die Weltmeisterschaft in Brasilien stattfinden. Da nach dem von der FIFA beschlossenen Rotationssystem nur ein südamerikanisches Land als Ausrichter in Frage kam und der Kontinentalverband CONMEBOL sich auf Brasilien als einzigen Bewerber festgelegt hatte, gab es keine Konkurrenzbewerbung.
Nach 1950 wird es das zweite Mal sein, dass der CBF eine Weltmeisterschaft ausrichtet. Mit dem Zuschlag ist Brasilien automatisch auch Ausrichter des Konföderationen-Pokals 2013. Als mögliche Probleme werden Korruption, die Sicherheit und der Zustand der Stadien angesehen - bei der Vergabe der WM im Oktober 2007 galt kein einziges brasilianisches Stadion als WM-tauglich.[2]
Das Umfeld des Fußballs
Stadien
In Brasilien gibt es allein fünf Fußballstadien, die über 100.000 Zuschauer fassen oder früher gefasst haben. Das berühmteste ist das Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro, in dem bei den Spielen der WM 1950 teilweise über 200.000 Zuschauer im Stadion gewesen sein sollen. Andere große Stadien sind das Morumbi-Stadion in São Paulo, das Mineirão-Stadion in Belo Horizonte, Fonte Nova in Salvador da Bahia, Castelão in São Luís, Castelão in Fortaleza, Arruda in Santa Cruz und die beiden gleichgroßen Stadien Olímpico Monumental und Estádio Beira-Rio in Porto Alegre.
Fans: Samba und Gewalt
Eine Umfrage im Oktober 2004 ergab, dass 18,1% von 7.207 befragten Brasilianern mit Flamengo aus Rio sympathisieren. Dahinter folgten als beliebteste Clubs Corinthians, der FC São Paulo und Palmeiras (alle aus São Paulo). Auf ganz Brasilien hochgerechnet, hat Flamengo immerhin 9 Millionen mehr Fans als Corinthians und ist der einzige Verein, der im ganzen Land populär ist.
Die Nationalmannschaft wurde nur von 0,7% der Befragten an erster Stelle genannt, in zeitlicher Nähe zu einer Weltmeisterschaft überflügelt sie jedoch alle Vereine an Popularität. Der Gewinn einer Weltmeisterschaft oder auch ein Sieg gegen den Erzrivalen Argentinien löst landesweite Euphoriewellen aus. Im Falle der Erfolglosigkeit können im ganzen Land dagegen Fans in Depression verfallen, wie dies nach dem vergebenen WM-Titel 1950 der Fall war, als noch während des letzten Spiels mindestens vier Menschen starben - drei an Herzversagen, einer stürzte sich von der Tribüne in den Tod.
Die brasilianischen Fußballfans gelten als besonders temperament- und stimmungsvoll. Charakteristisch ist die Untermalung des Spielgeschehens mit Samba-Musik auf den Rängen. Während die Fans der Nationalmannschaft überall sehr beliebt und als Stimmungsgaranten bei jedem Turnier gern gesehen sind, ist die Fanszene der brasilianischen Vereine nicht frei von Gewalt. Wenn auch eine gewaltbereite Hooligan-Szene kleiner ist, als in Europa,[3] kann besonders die Rivalität zwischen konkurrierenden Clubs einer Stadt eskalieren und Tote fordern. So wurde in einem einzigen Monat, Oktober 2005, ein Anhänger des Erstligisten Ponte Preta aus Campinas von rund 15 Fans des Rivalen FC São Paulo zu Tode geprügelt, bei Schlägereien zwischen Fans zweier Clubs aus São Paulo kamen zwei Fans ums Leben, beim Klassiker gegen Corinthians wurde ein Palmeiras-Anhänger mit einem Bauchschuss niedergestreckt und nach Straßenkämpfen wurde ein Corinthians-Fan mit einem Kopfschuss tödlich verletzt.[4]
Korruption und Wettskandal
Im September 2005 erschütterte ein Wettskandal den brasilianischen Fußball. Die angesehene Zeitschrift Veja hatte die Verwicklung des Fifa-Schiedsrichters Edilson Pereira de Carvalho und des Unternehmers Nagib Fayad aufgedeckt, die später von der Bundespolizei verhaftet wurden. Daneben wurden auch noch weitere Schiedsrichter der Manipulation verdächtigt, wie Paulo José Danelon.
Edilson beteuerte zunächst gegenüber dem Sender TV Globo, niemals Spiele verschoben zu haben, obwohl er und seine Familie unter Druck gesetzt worden seien, doch kurz darauf gab er zu, die Resultate von sieben Spielen beeinflusst zu haben, darunter eine Partie der Copa Libertadores zwischen Banfield (Argentinien) und Alianza (Peru). Wie abgehörte Telefonate ergaben, hatte er 10.000 Real pro Spiel erhalten, während die Hintermänner Gewinne zwischen 200.000 und 400.000 Real machten. Elf Partien mussten daraufhin wiederholt werden.
1997 war durch den Fernsehsender TV Globo bereits eine Korruptionsaffäre bekannt geworden, in der der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses, Ivens Mendes, der Bestechlichkeit und Manipulation von Spielen überführt und lebenslänglich gesperrt wurde.
Fußball und Politik
Entsprechend seiner gesellschaftlichen Bedeutung ist Fußball in Brasilien oft Gegenstand heftiger Debatten, die sich bis ins Parlament hineinziehen können. Darüber hinaus ist er auch institutionell enger in das politische System eingebunden, als etwa in Deutschland. So wurde Pelé 1995 als Sonderminister für Sport in das Kabinett des neuen Präsidenten Cardoso berufen. Es waren sogar Gerüchte im Umlauf, Pelé wolle sich bei den Wahlen 2001 um das höchste Amt im Staat bewerben. Die enge Verflechtung zwischen Politik und Sport wird häufig auch für das Ausmaß der Korruption im brasilianischen Fußball mitverantwortlich gemacht.
Fußball und Soziologie
Die afrobrasilianischen Spieler hatten bis in die 1920er große Probleme, in Vereinen und in der Nationalmannschaft zu spielen. Mit Arthur Friedenreich und Leônidas da Silva waren aber schon die beiden ersten Superstars Brasiliens Mulatten.
Die besondere Kreativität der afrobrasilianischen Fußballer hat schon früh zu soziologischen Überlegungen geführt. Besonders der berühmte Soziologe und Kulturanthropologe Gilberto Freyre hat seit den 1930er Jahren die These eines Nationalstils im Fußball geprägt, die ein Abbild der brasilianischen Gesellschaft sei. Freyres Hauptwerk Herrenhaus und Sklavenhütte erschien 1933, ein Essay mit dem Titel O negro no Futebol Brasileiro (Der Schwarze im brasilianischen Fußball) 1947. Auch mit dem Fußball propagierte Freyre eine positive Bewertung der Kultur der Schwarzen und Mulatten und der Rassenvermischung als Gegenentwurf zum Rassismus.
Auch Vilém Flusser, ein Philosoph, der 1940 aus Prag nach Brasilien geflüchtet war, glaubte hier einen neuen Menschen zu entdecken, einen Homo ludens. Nach seiner These spielt der Brasilianer gegen das Elend an. Diese Spielleidenschaft drücke sich im Karneval, im Tanz, der Musik, im Kampf (Capoeira) und im Fußball aus.
Zahlreiche brasilianische Sozialforscher haben sich seitdem bemüht, den brasilianischen Fußball aus der schwarzen Kultur heraus zu erklären, etwas mit der Körperbeherrschung, die der Kampftanz Capoeira erfordert oder mit den Überlebensstrategien in den Favelas, wie dem sogenannten jeitinho, der Kunst, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen und Widerstände geschmeidig zu Umgehen.
Dass der Erfolg und die Eigenheiten des brasilianischen Fußballs Ausdruck eines ethnischen Schmelztiegels seien, gilt heute in Brasilien als selbstverständlich. Roberto DaMatta erklärt den Fußball sogar zur zivilisatorischen Kraft, die aus Brasilien eine Nation geschmiedet und in die Neuzeit versetzt habe.
Quellen
- ↑ dw-world.de: Die Brasilianer und ihre Verniedlichungen
- ↑ Stellvertretend für zahlreiche Pressereaktionen die Financial Times Deutschland.
- ↑ Daß es eine solche aber gibt vgl. Fan zu Tode geprügelt, 11Freunde 11/2007.
- ↑ Vgl. Maik Großmann, Brasilien: Zwei Tote bei Ligaspiel, in: 11Freunde 12/2005 und Ausschreitungen im brasilianischen Fußball: Drei Tote (Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltsvereins)
Literatur
- Alex Bellos: Futebol. Fußball. Die brasilianische Kunst des Lebens. Berlin 2004. ISBN 3-89320-077-0
- Karin Sturm: Zwischen Strand und Stadion. Das Fußballwunder Brasilien. Berlin 1998. ISBN 3-328-00785-7
- Chris Taylor: Samba, Coca und das runde Leder. Streifzüge durch das Lateinamerika des Fußballs. Stuttgart 1998. ISBN 3-89657-601-1
- Alexandre Fernandez Vaz: Sport und Sportkritik im Kultur- und Zivilisationsprozess. Analysen nach Adorno, Horkheimer, Elias und Da Matta. Butzbach-Griedel 2004. ISBN 3-932079-90-6
- Flávio Moreira da Costa (Hrsg.): Anpfiff aus Brasilien. Elf auf dem Platz. Frankfurt 2006. ISBN 3-925203-99-0
Weblinks
- Offizielle Homepage des CBF
- Carl Goerdeler: „Futebol! Futebol!“ (Die Zeit 20. April 2006)
- „Ein perverses Modell“. taz-Interview mit Juca Kfouri
- Ulrich Gumbrecht: Spiel mit Stil! (Zur Idee eines Nationalstils)
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